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Rebellen Welt Vorbereitungskurs

  • Autorenbild: Sylvie Bantle
    Sylvie Bantle
  • 25. März
  • 8 Min. Lesezeit

Niemand wird sich später an den Weltvorbereitungsabschlusskurs erin-

nern, später, wenn sie das Licht der Welt erblicken, die jetzt noch ungebore-

nen Rebellen. Im Bewusstsein jeder Zelle jedoch wird mürrisch ein Funke Er-

innerung hocken, in jedem einzelnen dieser Auserwählten, und ständig an die

Wände der denkenden Zellen klopfen. Ob sie es schafft, die Erinnerung, aus

der Enge auszubrechen und all ihre Komplizen in die Zentrale des Verstan-

des zu locken, hängt an so vielen anderen hoch komplizierten Faktoren, in-

einander verwickelt und verknotet bleiben sie dem logisch prüfenden Blick

verborgen.

»Es ist der riesige, ja gigantische Raum hinter den Dingen, dieses un-

sichtbare Reich, das sich um die Materie windet.« spricht der Meister mit ru-

higer Stimme zu seinen Schülern, »Diese Materie nämlich, die der Mensch

für einzig realistisch hält, ist – ganz materiell betrachtet – weil winziger Anteil

des Ganzen, ja, kaum ein Prozent davon! Die restlichen mehr als neunund-

neunzig Prozent, für das Auge ein Nichts, sind Schwingung. So sieht der Auf-

bau eines Atoms aus und – da alles aus Atomen besteht – ist dies auch das

Verhältnis der irdischer Welt: Ein Teil Materie und neunundneunzig Teile ver-

meintlich Nichts! Der Atomkern und seine Bekleidung aus weniger als Luft.

Die Kraft hinter all dem, was irdische Augen und Finger erfassen, diese En-

ergie, die alles bewirkt, die kann der Mensch weder sehen noch begreifen.

Folglich wird man es nicht verstehen. Diese dunkle Energie – dunkel weil

man sie nicht sieht – ist dem Menschen nicht geheuer, man glaubt ihr nicht

die wahrheitsgetreue Botschaft der Realität. Vielmehr kämpft das Erdenwe-

sen seit es denken kann gegen sie, um sie ja unsichtbar zu wähnen …«

Der Meister spricht ein letztes Mal vor seinen Schülern, die ihn aufmerk-

sam umringen. Bevor die ungeborenen Rebellen auf die Erde losgelassen,


sich allein und ganz auf sich gestellt, mit schlafender Erinnerung plagen

müssen, will er ihnen alles sagen, was wichtig ist dort drüben. Er weiß um die

irdischen Tücken, hat längst sein Erdenleben hinter sich. Hier, wo sie jetzt

sind, fehlt die Vorstellung von Vergessen, hier ist alles sichtbar und gewusst.

Dort aber, wo sie Menschen sind, ist die Erinnerung eingesperrt. Ihre Sub-

stanz ist zwar da, transparente Schwaden fast reglos im großen Raum hinter

den Kulissen, doch vorn auf der Bühne schwirrt nur ein irritiertes Gefühl, vage

und ungewiss die Informationen – unbenennbar, was es ist, lässt es einen

Rebellen nicht los und zündet Fragen.

Der Meister überlegt, er muss sein Bestes geben. Da Rebellen stets eine

Minderheit bilden, müssen sie Denken und Fühlen für die vielen anderen

übernehmen. Es liegt an ihm, mit seiner Überzeugungskraft zu wirken. Er

muss ihnen die Erinnerung an hier und jetzt innigst einverleiben, die Impulse

wachsam schärfen, damit sie später Illusion von Wahrheit unterscheiden und

weiter blicken, nämlich hinter die Fassaden. Das Menschheitsglück hängt da-

von ab, in jeder Generation, und nun von seinen Schülern. Er richtet sich auf

und blickt ihnen ins Gesicht, legt in jeden seinen geistigen Samen aus. Als er

fortfährt, spricht er mit trauriger Stimme:

»Hölle des Verdrängens! hat da jemand geschrieben. Wir fragen nicht,

wer es war und wo es stand, es spielt keine Rolle. Wichtig ist nur das Con-

tentium! Meditieren wir gemeinsam: Hölle des Verdrängens …«

Augenblickliche Stille. Versenkung. Hineinkriechen in die dunklen Gänge

des Denkens. Fühlen. Spüren. Welches Echo sich löst im inneren Labyrinth:

Hölle des Verdrängens!

»Was ist gemeint?« fragt der Meister in die Runde, beinahe flüsternd, um

die Versenkungsreise nicht zu stören, und führt seinen Schülern vor, wie es

geht, »Tief hinein, tiefer und tiefer, immer Richtung Unendlichkeit … dieser

ungesehene gigantische Raum will mit Bewusstsein ausgefüllt sein. Pumpt

es in euch hinein!«


Hier geht es noch leicht, hier, wo sie jetzt sind, denn hier ist die irdische

Problematik fremd, später dann auf der Erde wird es gerade umgekehrt sein,

mittendrin im irdischen Sumpf bricht die Verbindung ab zu diesem unsichtba-

ren gigantischen Raum und kann verloren gehen.

»Was will gesagt sein? Was spricht aus diesen mächtigen Worten so eng

zusammen gestellt: Hölle des Verdrängens …«

Ein Schüler taumelt. Die Augen geöffnet, doch ohne Iris, beginnt er lang-

sam und dringlich in Trance zu sprechen:

»Ein erster Impuls, der sich weder vorstellt noch bekennt, drängt zum so-

fortigen Korrigieren: Hölle ODER Verdrängen! Der Impuls sagt frech: Beides

zusammen ist unmöglich zu praktizieren! Ich stimme sofort zu. Und schon

nagen Zweifel an mir. Vielleicht irre ich? Vielleicht irrt der Impuls?«

Schweigen, Spüren der Worte bis die Stimme des Meisters wieder zu hö-

ren ist:

»Wenn also das Verdrängen die Hölle ist, so wird sie jedenfalls als solche

nicht wahrgenommen – wegen der Verdrängung! Diese in einen dunklen

Raum gesperrt, hat dann keinen Kontakt nach draußen, ist ohne Verbindung

zu den denkenden Zellen …«

Die Schüler lauschen, das alles ist nicht einfach. Hier haben sie keine Er-

innerung an eines ihrer Erdenleben, dort dann werden sie sich nicht mehr an

hier erinnern. Ein anderer halb in Trance, berührt von Erinnerung aus ande-

ren Zeiten, taumelt auf und fragt:

»Ist es nicht so, dass die Verdrängung ja eben gerade dazu dient, der

Hölle davonzurennen? Und klagen nicht genau jene, die sich gegen das Ver-

drängen wehren – sei es aus Unfähigkeit oder Weitblick – dass sie sich in ei-

ner Hölle befänden?!«

Er sackt zu Boden, zwei fangen ihn auf mit schnellen Armen, um ihn zu

halten, sein Kopf hängt schief zwischen ihren Schultern.

Ungerührt fährt der Meister fort:


»Freilich, die Verdrängungskünstler lachen über Höllen und so weiter,

sind erhaben über sie, weil – vermeintlich – ihr entkommen …

Man stelle sich den Fluchtversuch vor und sehe, wie sich der Wahnsinn

nun von unten her anschleicht! Zuerst erreicht er die Füße, die dann schnel-

ler laufen, dann das Gebein und Gedärm, wo es noch mehr rumpelt und gärt,

dabei Übelkeit und Hunger gleichzeitig und vor allem Schmerzen vermehrt.«

Nun flüstert er, »Das Verdrängte ist unverdaulich! Vergesst das nie.«

Lange blickt er seine Schüler an, bis er wieder spricht:

»Wie geht es weiter? Wie geht es weiter mit der Wahnsinns-Reise nach

oben? Bei der Brust angelangt, Sitz von Herz und Lungen, will Kurzatmigkeit

die Katastrophe instinktiv nach unten drücken … Und da ist es schon pas-

siert. Die Angst hat sich schnell herumgesprochen, ist bis in die Arme hinein

gekrochen, wo die Fäuste schon das Ballen exerzieren … ist auch in die Bei-

ne gekrochen, die permanent rennen wollen … Und die Blutumwälzungsan-

lage in blanke Panik getrieben, drückt wildes Pochen in Hals und Kehle, wo

die Stimme wie eine Bombe explodiert und laut nach außen knallt … Egal,

wer den Krach zu hören bekommt, den Auswurf des Verdrängten, irgendwer,

auf jeden Fall ein anderer muss es sein … Das ist nur logisch: Das Verdräng-

te kann ohne Projektionsfläche nicht existieren!

Die Wahnsinns-Tour ist damit lange nicht zu Ende. Nachdem Herz und

Mund und Hirn infiziert, geht es auf horizontaler Ebene weiter … Nach links

und rechts getreten, egal, wer dort steht – Projektionsoberflächen finden sich

überall in großer Zahl.

Vielleicht meint dieser Trip die Hölle des Verdrängens!? Der es gesagt

hat, ist uns entwischt, mit dem Wahnsinn davon geritten … und entkommt so

der Hölle dennoch nicht. Meist kehrt ein solcher Wahnsinns-Reiter nicht mehr

zurück, außer … es geschieht ein …

Doch, wer glaubt schon an Wunder dort?!


Am Wegesrand bleiben Verwundete zurück und jedes Mal trifft es den

Reiter selbst, aber er merkt es nicht. Es sind nicht wenige, die vom Wahnsinn

geritten vor der Hölle fliehen, aber wenige, die durch die Hölle gehen und sie

sehen. Diejenigen kehren zurück … zum Ausgangspunkt und wählen diesmal

einen anderen Weg: den ohne Verdrängung.

Und dies ist vielleicht das wichtigste von allem: Nicht zu vergessen. Die

Hölle UND das Verdrängen werden von erstickter Liebe gezeugt: Produkte

von Leid – innere Schmerzen durch Verletzungen der gegenseitigen Art.

Doch die Blindheit verhindert zu sehen, dass diese Verletzungen eigentlich

unnötig sind, dass sie letztendlich nirgendwoanders hinführen als zurück zum

eigenen Leid. Jede Grausamkeit rührt von enttäuschter Liebe, die sich früher

oder später umkehrt und den Wahnsinn kreiert – die Hölle ist ein Geschöpf

der Verdrängung! Wenn das, was sein will und sein soll, nicht leben darf,

stürzt es ins Gegenteil …«

Der Meister blickt in die Runde, wirkt erschöpft, Schweißperlen auf seiner

Stirn.

»Deshalb, meine lieben Schüler, bevor ich Euch in die Welt des Planeten

Erde entlasse, denkt daran: Sie ist die Hölle, weil dort Menschen sind! Das

Kunststück gilt es zu vollbringen, vom Blinden zum Sehenden zu werden,

kontinuierlich zu wachsen, in ihr zu leben und mit ihren Kreationen zu kom-

munizieren …

Bleibt nur noch die Frage zu klären: Wie mit denen reden, die eine Hölle

verdrängen und meinen, sie täten es nicht? Die durch die Hölle reiten und es

nicht wissen? Die Antwort darauf ist die große Aufgabe, die auf Planet Erde

zu verrichten ist. Ihr müsst selbst herausfinden, wie und wo sie suchen und

finden. Ganz alleine werdet Ihr sein, niemand wird Euch helfen – Gefährten

sind rar. Von den meisten wird unterschätzt, dass genau darin das Geheimnis

des Friedens zwischen Menschen und Völkern liegt …«


Der Meister richtet sich auf mit ausgebreiteten Armen als Geste zum Auf-

bruch. Festliches strömt von ihm aus, als er sich schwebend erhebt. Ernst in

seinen Augen, die so viel sehen. Die hingereichten Hände gleichzeitig Ab-

schiedsschmerz und Willkommensfreude. Die Stimme, die die Schüler ent-

lässt und fortschickt auf ihren Weg, nun neu und jung, fast abenteuerlich:

»So, nun macht Eure Erfahrungen, seid freundlich zu den Menschen und

meidet – soweit möglich – diese Höllenreiter, die lieber blind als sehend sind.

Wenn Ihr es dennoch nicht verhindern könnt und nicht mehr weiter wisst, hal-

tet Ausschau nach jenen, die daran zu erkennen sind, dass sie die Hölle se-

hen und ertragen können. Ihr werdet es merken, wie sie reden, wie sie bli-

cken, wie sie etwas tun und was sie denken. An diese müsst Ihr Euch wen-

den und dann sagt Euer Sprüchlein auf:

“Ich fühle mich fremd hier auf diesem Planeten, kannst Du mir das alles

erklären?“

Es wird Euch erklärt werden, aber glaubt nicht, das sei leicht. Das sind

nicht einfach ein paar Worte, ein flinkes Hokuspokus und Simsalabim, alles

geklärt und von nun an immer unbeschwerlich. Glaubt keiner Zauberformel,

misstraut jeglicher Rezeptur! Wacht auf, wenn es so weit ist: Hier beginnt die

Arbeit! Dann geht es erst richtig los … Lasst Euch bloß nicht von mannge-

machten Idealogien gefangen nehmen, die ungesehene Paradiese bejubeln.

Sie existieren nicht in der Welt der Planeten, denn nach einem noch so glück-

lichen Leben steht immer der Tod des Körpers. Deshalb vergesst es nie:

Schaut hinter die Materie, ist sie ja nur die kleinste Einheit des Ganzen und

für Menschenaugen äußerst trügerisch. Um hinter die Kulissen der Körper zu

blicken, braucht es keine Seh-Organe aus Fleisch und Blut, Bewegung im

Geiste ist nötig, somit bleibt Ihr im Fluss und daher lebendig! Steht jeden

Morgen auf wie neugeboren und erinnert Euch der Träume, wo das Flüstern

zu hören ist. Erst dann befindet Ihr Euch auf dem Pfad zur Antwort, wenn die

Dringlichkeit stetig zunimmt, begreifen zu wollen, warum Ihr da seid. Wer bist


Du? fragen Stimmen im Schlaf. Und beim Erwachen vernehmt Ihr ein Echo,

als hättet Ihr in einen riesigen leeren Raum gesprochen: Warum wurde ich

geboren, jeder einzelne hier? Hört zu und achtet die Worte aus dem Innern!

Von da an werden sie nicht mehr aus Euren Gedanken weichen, wozu das

Erdenleben, was die Pflicht des Menschen sei.«

Für lange Zeit Stille. Unbeweglich jeder einzelne. Lauschen. Die Stimme

des Meisters klingt in lautlosen Dimensionen nach. Bis jeder Resonanzparti-

kel seinen Nistplatz gefunden hat. Benommen erheben sich die Schüler,

ernste Gesichter weder weiblich noch männlich, androgyne Wesen, leises

Murmeln auf den Lippen. Einzeln treten sie vor den Meister hin, beugen sich

hinab zu seinen Füßen. Er indessen legt seine alte Hand auf den Kopf eines

jeden Schülers und gibt seinen Segen.

Daraufhin beginnt einer nach dem anderen in seiner Gestalt zu verblas-

sen und allmählich seine Sichtbarkeit aufzulösen. Am Ende ist kein Schüler

mehr übrig, der Meister steht alleine da – lächelnd, Tränen in den Augen.



 

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