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Wer hat Gott erfunden?

  • Autorenbild: Sylvie Bantle
    Sylvie Bantle
  • 27. März
  • 6 Min. Lesezeit

Christus, Osiris, Osten, Orient, Orientierung …

Seth, Satan, Shiva, Schlange, Skorpion …

Gibt es Lieblingslaute für das ‘Gute‘ und solche für das ‘Böse‘? Für das

Helle, für das Dunkle? Vor der Inquisition des Patriarchats waren Gut und

Böse ein Liebespaar, Tag und Nacht, Göttin und Gott, Frau und Mann,

Himmel und Erde. Natürlich hatten die zwei ein Kind: der Horizont. Die

Landesgrenze zwischen Oben und Unten, das Horuskind. Sein Nachfolger ist

das Jesuskind.

Einst blickten die Alten zum Himmel und lasen in den Bildern der Sterne,

sicherlich sagten sie: Oriontierung! Nein kein Schreibfehler! Was weiß denn

ein homo sapiens modernus mobiltelefonis von heute überhaupt, wenn er

lamentiert: »Oh Gott, ich hab‘ die Orientierung verloren!«

Was haben Religionen noch mit Gott zu tun? Sind sie etwa an ihrem Ende

angelangt? Ihre Funktionen auf ein einziges geschrumpft, nämlich Macht,

steht ihr Tod unmittelbar bevor. Antworten, mit denen der Mensch der

Gegenwart etwas Sinnvolles anfangen kann, bieten sie keine.

Grübeln wir uns frei von den Dogmen und graben uns als Buchstaben-

Archäologen mit Imaginations eiß aus reiner Denklust vorurteilsfrei hinein in

Namen, Wörter, mythische Geschichten, und streifen zugleich durch

astronomische Bücher. Ja, ja, wenn wir Gott auf die Spur kommen wollen,

müssen wir uns im buchstäblichen Sinne mit dem Himmel befassen.

Bedienen wir uns daher der reichen Bilderwelt, die uns die Vergangenheit

hinterlassen hat, aber diesmal nehmen wir die alten Geschichten einfach

einmal ernst. Freilich, das kostet einige Überwindung, für einen modernen

aufgeklärten Menschen – doch alles hat bekanntlich seinen Preis.

Beginnen wir mit Shiva! Der wohl berühmteste Star des indischen Götter-

Pantheons wird einem als Indienreisender überall begegnen. Sein in Stein

gehauenes Phallus-Symbol, ‘Lingam‘ genannt, ist in den Tempeln nicht zu


übersehen. Es steht auf einer runden, steinernen Plattform, die ‘Yoni‘ heißt

und eine abstrakte Nachbildung der Vulva ist – Weibliches und Männliches

präsentiert sich als eine Einheit. Der Reisende aus dem fortschrittlichen

Westen stutzt angesichts dieser Direktheit, obendrein an einer heiligen Stätte.

Erst lernt man Shiva in der Rolle des Zerstörers kennen, sein Charisma von

einer dunklen Macht geprägt – was ja Zerstörer so an sich haben. Dann

erfährt man, er sei in gleichem Maße auch Schöpfer und hört von seinen fünf

Prinzipien: erschaffen, erhalten, zerstören, verschleiern, erlösen. Dass Shiva

vor allem von Tänzern verehrt wird, erfuhr ich erst, als ich bei einem alten

Meister indischen Tanz studierte. Zum Abschied erhielt ich den Nataraja aus

Bronze, der Shiva in der Rolle des kosmischen Tänzers darstellt. Kosmischer

Tänzer? So jedenfalls wird er noch heute genannt in jenem Land, doch wer

begreift ihn noch in dieser Rolle? Einst sahen ihn die Menschen mit eigenen

Augen am Himmel tanzen, keine Übertreibung, sondern kreatives Fernsehen

der alten Zeit. Sodann formten ihre Hände kleine Figuren, das rechte Bein

auf einem am Boden liegenden Zwerg stehend, das linke hochgeschwungen,

darüber die Hände, die rechte nach oben und die linke nach unten weisend,

die klassische Pose des kosmischen Tänzers umrahmt von einem Ring aus

72 Flammen.

Und hier kommen wir zur Astronomie. Untersuchen wir diesen

Flammenkreis – warum 72? Die astronomische Antwort lautet: Präzession.

Wer weiß schon, was das genau ist? Die Astronomie hat mich nicht nur über

die Präzession, sondern auch über den tanzenden Gott aufgeklärt. Der Tanz

dieses Gottes lehrt Mathematik! In geheimen Ohrenkammern ein Rumoren:

»Vielleicht tun das alle Götter?«

Die Achse der Erde ist schief! So steht es in den Büchern und ist auch

längst bewiesen. Das heißt, die Achse Nord-Süd, um die sich die Erde Tag für

Tag um sich selbst dreht, steht nicht exakt senkrecht, also im rechten Winkel

zu ihrer Umlaufbahn um die Sonne, sondern in einem leichten

Neigungswinkel von etwa 23 Grad. Aufgrund dieser Schiefe saust die Erde


nicht ‘glatt‘, sondern mit Pendelbewegungen auf ihrer Ekliptik durch die

Zeiten. Man erinnere sich an das Spielen mit einem Kreisel. Der Kreisel läuft

so lange ‘glatt‘, so lange er senkrecht, also im rechten Winkel zum Boden

steht. Bis sich der Stab neigt, dann immer heftiger pendelt und schließlich

umkippt. Man stelle sich die Erde als einen Kreisel vor: der Stab ist die

Erdachse, der Boden die Ekliptik. Weiterhin imaginiere man diesen

Erdachsenstab, wie er am Nordpol sich in den Nordhimmel hinauf verlängert

und geradewegs auf den Polarstern stößt. Ein gigantischer Zeiger! So wie

der Stab des Kreisels, wenn er leicht geneigt ist, über sich einen Luftkreis

beschreibt, so zieht der imaginierte Zeiger infolge der pendelnden Bewegung

der Erde einen großen unsichtbaren Kreis in den Nordhimmel. Man stelle

sich diesen Kreis als ein kosmisches Zifferblatt vor, auf dem 1 Umlauf des

Zeigers, also 12 kosmische Stunden, 26000 Jahre dauern.

Weiter mit dem Polarstern! Den kennen alle, die auf der nördlichen

Hemisphäre der Erde leben. Schon als Kinder betrachteten wir den großen

Wagen und wussten, der helle Stern über ihm ist der Polarstern. »Dort ist der

Norden!« riefen wir ganz klug. Der Polarstern ist uns deshalb vertraut, weil

wir in dieser Epoche leben, er ist die exakte kosmische Uhrzeit der Erde.

Dass dieser Nord-Punkt am Himmel wandert, ist kaum gewusst. Nicht jedoch

der Polarstern bewegt sich, sondern der Zeiger. In nur wenigen

Jahrhunderten deutet die verlängerte Erdachse auf einen anderen Stern und

so weiter, 26000 Jahre lang, bis dieser Kreis geschlossen ist und der Zeiger

der kosmischen Uhr wieder auf dem heutigen Polarstern steht. Uhrzeit:

Anfang Wassermann!

Nun sperre man alle Wissenschaftler vor die Tür, damit man ungestört mit

den Zahlen aus Mythos und Astronomie spielen kann, dividieren und

multiplizieren geradeso wie es einem gefällt. Der direkte Rechenweg

emp ehlt, mit 26000 zu beginnen. Diese Zahl teile man durch die anderen

kleineren Zahlen. 12! Unsere 12 Monate, die 12 Sternzeichen auf der

Ekliptik…


26000 : 12 = 2160 Jahre. Das ist die Regierungszeit jedes einzelnen der 12

Sternzeichen. Nicht nur, wer sich mit Astrologie befasst, weiß, dass etwa alle

2000 Jahre das Zeitalter wechselt. Mit Jesus hat das Fischezeitalter

begonnen! Heute rutscht der Zeiger gerade von den Fischen in den

Wassermann, unsere Gegenwart steht also am Anfang einer neuen Epoche.

Wenn man staunen will, dividiere man 26000 Jahre durch 360 Grad,

Ergebnis: 72! 1 Grad des Präzessionskreises ergeben 72 Jahre – das ist

ungefähr die Zeitspanne eines Menschenlebens. Und Shivas Flammenkreis!

Kennt man sich in Mythen aus, begreift man schnell: dies muss eine göttliche

Zahl sein. 72! Bei den Alten Ägyptern gibt es 2 Brüder, den Guten und den

Bösen. Der Böse bringt den Guten um. Mit 72 Verschwörern!

Seit wann kennt die Menschheit diese Zahl? Heute jedenfalls ist sie längst

vergessen. Diese Brudermord-Geschichte erzählt von Osiris und Seth. Die 2

Göttergestalten sind vom Sternbild Orion abgelesen, der am Südhimmel

13000 Jahre lang hinauf und 13000 Jahre wieder hinunter steigt – das macht

26000 Jahre! Osiris ist der Aufsteigende oder der Wiederkehrer, Seth der

Absteigende. Vermutlich waren auch sie einst ein Liebespaar, denn der alte

Name für Isis, bekannt als Osiris‘ Schwester-Gemahlin, ist Aset! Sie wird mit

dem Stern Sirius gleichgesetzt, der sich zu Füßen des Orion be ndet und der

hellste Stern am Nachthimmel ist.

Der Beginn von Osiris Aufstieg wird als ‘Anfang der Zeit‘ bezeichnet,

altägyptisch ‘Tep Sepi‘: Mund der Schlange! Astronomisch lokalisiert um

10500 v. Chr. im Zeitalter des Löwen.

Kreis = Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beisst. Ein uraltes

Symbol ewiger Wiederkehr in zyklischer Form, eine Ausschnittvergrößerung

der Ewigkeit. Die Schlange taucht in den meisten alten Kulturen auf in

Verbindung mit dem Kosmos, mit Tod, Leben und Wiedergeburt – sie besitzt

die Fähigkeit der Häutung.

Die alten Inder nannten den Orion sinnigerweise Zeitmann. Man kann ewig

fortfahren, mythische Gestalten und astronomische Realität in Verbindung zu


bringen. Bestimmt verbergen sich noch zahllose Geheimnisse und Rätsel in

den alten Mythen, die wir nicht zu lüften vermochten. Die Alten jedenfalls sind

die Autoren und haben das copyright. Unsere Ahnen! Und wir, die Jungen,

die Ahnenlosen, belächeln sie, die vor uns lebten, halten sie ‘nur‘ für

Sammler und Jäger, Steinzeitmenschen halt, die nicht einmal bis 3 zählen

konnten.

Weiter zum nächsten Experiment. Wie bereits mit den altägyptischen

Darstellungen von Göttern und Königen erfolgreich ausprobiert, zeichnete ich

nun auch den tanzenden Shiva des Nataraja auf die Vorlage des Orion. Sie

passten zusammen! Zwei Schultersterne, drei Taillensterne, ein Stern für

Shiva‘s linke Pobacke, ein Stern für die Wade seines linken Beins, das in der

Luft schwebt, die Zehen zeigen zum Sirius. Beim Jesus am Kreuz, obwohl in

völlig anderer Pose, lässt sich die Orionschablone ebenso verwenden.

Shiva, der kosmische Tänzer! Ohne die Astronomie hätte sich nicht die

Idee in mich gep anzt, der kosmische Tänzer sei wörtlich zu nehmen.

Typischer Pathos mythischer Geschichten, dauernd diese Übertreibungen! so

dachte ich wie viele. Weit gefehlt, Shiva tanzt den Menschen die Erd-

Präzession vor. Die Vergangenheit kannte seine Rolle, die Gegenwart hat

das vergessen. Eines ist Gewissheit: Wer sich einmal aufmacht, ndet in den

Mythen deutliche astronomische Hinweise. Urälteste Kulturen begriffen den

Orion als ein weiblich-männliches Wesen – siehe Isis alter Name Aset und

die sonst nur für Göttinnen übliche Endung im Namen Seth. Irgendwann

wurden sie getrennt, ihre ursprüngliche Vita vom Vergessen aufgefressen.

Damit wurde weiter und weiter verfahren bis heute, indem man im Namen

Gottes erbitterte Kriege kämpft.

…Orion! Osiris! Sirius! … Christus! Auch er ein Aufsteigender, einst von

den Toten zum Himmel aufgefahren. All die menschgewordenen Göttersöhne,

führen sie letztendlich alle zum Orion hin, wo die verschmähte Geliebte

wartet? Wie viele Mythen und Religionen tragen seinen Samen? Nur weil die

Menschen in Urzeiten die kosmischen Ereignisse zu deuten versuchten.


Angst vor dem Tod und Hoffnung auf ein ewiges Leben haben all diese

Geschichten und Weltanschauungen geprägt! Der Orion mit seinem Auf- und

Abstieg hat die Menschen wohl auf die Idee der Unsterblichkeit gebracht.

Auch die Vorstellung, ein Göttlicher betrete die Welt und kehre nach seiner

grausamen Ermordung in den Himmel zurück, im Gefolge die Seelen der

Toten.

Wem das noch nicht genügt, muss sich selbst auf die Suche nach dem

tanzenden Gott begeben …


© Sylvie Bantle


 


 
 
 

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